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Entstehung von "WE LOVE TO WATCH"

Gedanken zur Entstehung eines kritischen Kunstwerks

Hallo liebe Kunstfreunde,

 

es ist mal wieder an der Zeit, euch einen tieferen Einblick in die Entstehung meines neuesten Werkes zu geben. Diesmal handelt es sich um „WE LOVE TO WATCH“, ein Kunstwerk, das mir aus verschiedenen Gründen besonders am Herzen liegt. Das Bild entstand aus meiner anhaltenden Fassungslosigkeit darüber, wie wir Menschen immer wieder dieselben Fehler machen, oft sehenden Auges in unser eigenes Verderben rennen und uns dann noch wundern, warum alles schiefläuft. Ja, ich weiß, nicht gerade leichte Kost – aber wichtig, wie ich finde.

 

Die Leinwand, 160 cm x 80 cm groß, bietet genug Raum, um das auszudrücken, was mich bewegt: unsere merkwürdige, manchmal verstörende Faszination für Zerstörung und Leid. Der tiefrote Acrylhintergrund entstand intuitiv und kraftvoll mit einem breiten Pinsel. Er symbolisiert für mich sowohl das Chaos als auch die emotionale Intensität des Themas. Das kräftige Rot wirkt beinahe bedrohlich und erzeugt eine Atmosphäre, die den Betrachter nicht loslässt. Die Entstehung war ein emotionaler Prozess, begleitet von Frust, Trauer und einer merkwürdigen Faszination.

 

Doch warum eigentlich „WE LOVE TO WATCH“? Nun, der Titel ist bewusst gewählt provokant, direkt und leider viel zu wahr. Wir sehen zu – bei Kriegen, Krisen, Katastrophen. Wir empören uns kurz, vielleicht spenden wir oder teilen unsere Betroffenheit auf Social Media, aber im Großen und Ganzen leben wir weiter, bis das nächste Drama uns packt. Ich frage mich oft, warum uns gerade diese schrecklichen Dinge so faszinieren. Nachrichten voller Zerstörung und Konflikt verkaufen sich besser als gute Meldungen, Kriegsfilme sind Publikumsmagnete, und postapokalyptische Szenarien ziehen uns magisch an. Selbst ich bin nicht frei von dieser Faszination – ich liebe alte Ruinen, Pyramiden, antike Stätten, verfallene Kirchen und Städte wie Pompeji. Es ist diese eigenartige Mischung aus Neugier, Nostalgie, Staunen und Angst vor Vergänglichkeit und Verlust, die mich immer wieder in ihren Bann zieht.

 

Gleichzeitig erschreckt mich aber auch diese Faszination. Warum zieht uns ausgerechnet der Zerfall so stark an? Vielleicht liegt es daran, dass Ruinen uns eindringlich an die Vergänglichkeit von allem erinnern und uns zugleich faszinieren, weil sie Spuren einer längst vergangenen Welt oder die Angst vor einer möglichen Zukunft tragen. Diese Ruinen erzählen uns Geschichten über Menschen, Kulturen und Ereignisse, die wir nur noch erahnen können. Es ist, als ob sie uns leise zuflüstern: „Das könnte auch euch passieren.“

 

Zugleich macht es mir Angst, gerade jetzt, wo politische Bewegungen wie die AfD in Deutschland wieder Zulauf erhalten oder globale Konflikte wie der in der Ukraine oder der aktuelle Israel-Konflikt zeigen, wie fragil und unvernünftig wir Menschen eigentlich sind. Warum vergessen wir so schnell, warum wählen wir wieder und wieder dieselben destruktiven Wege? Warum lernen wir nicht aus den Fehlern der Vergangenheit? Ich verstehe es einfach nicht – und genau dieses Unverständnis versuche ich in diesem Bild einzufangen. Diese Ratlosigkeit und die scheinbare Unfähigkeit, langfristige Lehren zu ziehen, treiben mich wirklich um.

 

Dieses Jahr war für mich künstlerisch gesehen nicht leicht. Ich habe weniger Kunstwerke geschaffen als sonst, was mich auch frustriert. Die „WILD SKETCHES“-Serie, die ich so liebe, hängt irgendwie zwischen abgeschlossen und unfertig in der Schwebe. Ich kämpfe ein bisschen mit meiner kreativen Richtung und habe neben einigen Auftragsarbeiten begonnen, mich schriftstellerisch auszuprobieren – ein Roman als neues Experiment. Doch egal wie sehr ich manchmal mit meiner Kreativität ringe, eines bleibt unverändert: Kunst ist mein Ventil, mein Weg, das zu verarbeiten, was um mich herum geschieht, was ich fühle und denke. Gerade in Phasen kreativen Struggles merke ich, wie wichtig und zugleich herausfordernd es ist, meine Gedanken visuell auszudrücken.

 

„WE LOVE TO WATCH“ ist also mehr als nur ein Kunstwerk. Es ist eine direkte Reflexion meiner aktuellen Gefühle, Ängste und Hoffnungen. Die kräftigen schwarz-weißen Linien, gezeichnet mit Lackmarker, repräsentieren zugleich Ordnung und Chaos, Struktur und Zerfall. In der Mitte thront eine einsame Krähe – ein Symbol für den stillen Beobachter, der zugleich auch Teil des Geschehens ist. Sie schaut zu, genau wie wir. Für mich persönlich steht die Krähe für unser kollektives Gewissen, für das Gefühl von Hilflosigkeit und gleichzeitig für die Kraft, hinzusehen und nicht wegzuschauen.

 

Vielleicht macht euch das Bild nachdenklich, vielleicht stört es euch sogar oder fasziniert euch – und genau das soll es auch. Denn manchmal braucht es Kunst, die Schön aber auch unbequem ist, die aufrüttelt und die uns auffordert, genauer hinzusehen. Ich hoffe, „WE LOVE TO WATCH“ regt euch dazu an, über unsere Rolle in dieser Welt nachzudenken. Vielleicht schaffen wir es ja irgendwann, die Augen nicht mehr zu verschließen und wirklich etwas zu verändern. Ich wünsche mir sehr, dass meine Kunst ein kleiner Impuls sein kann, zumindest das Nachdenken anzustoßen.

 

Doch bei all der Ernsthaftigkeit und den Sorgen, die mich beschäftigen, möchte ich ganz bewusst auch einen hoffnungsvollen Gedanken teilen. Denn letztlich birgt jedes Ende, jede Zerstörung und jeder Abschied immer auch die Möglichkeit für einen Neubeginn, für Veränderung und Entwicklung. Vielleicht ist es genau diese Perspektive, die uns Ruinen als schön empfinden lässt – sie erinnern uns an die Vergangenheit, aber auch an die unendlichen Möglichkeiten der Zukunft. Trotz aller Herausforderungen entscheide ich mich bewusst dazu, optimistisch zu bleiben und an die Menschen zu glauben, gerade weil oder obwohl ich unsere Geschichte kenne.

 

Vielen Dank, dass ihr euch die Zeit genommen habt, diese Gedanken mit mir zu teilen. Bis zum nächsten Mal,

  

euer Martin Lingens



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